Welche Note gibst Du den Noten?

„Ich habe doch gelernt!“ Laura geht in die 5. Klasse und hat gerade ihre Deutscharbeit zurückbekommen. Im Grammatikteil hatte sie eine 1 und im Rechtschreibteil eine 5. Obwohl sie die Lernwörter konnte. Sie ist so unglücklich. Denn, obwohl sie die  Lernwörter gelernt hat, sagt die Note nun, dass sie nicht gelernt hat. Oder etwa nicht? Sagen die Noten etwas anderes aus?

Gerade jetzt, wo es bald wieder die Halbjahreszeugnisse gibt, sind die Noten wieder präsent. Auch in der LernCoaching und Nachhilfe-Welt wird oft geworben mit „Mit uns wird Dein Kind um mindestens eine Note besser“ oder „Dein Weg zur Traumnote“. Der Fokus liegt stark auf den Noten. Muss das sein? „Natürlich“, sagen viele, „mit guten Noten stehen meinem Kind alle Türen offen, um nach dem Schulabschluss das zu machen, was es machen möchte.“

Da schnellen mir gleich zwei Gedanken in den Kopf:

1. Wenn die Zensuren erst beim Schulabschluss so wichtig sind, warum können wir dann den Kindern nicht Zeit geben, mit der Bewertung klar zu kommen? Bis sie verstehen, dass eine Note nichts mit ihnen als Person zu tun hat. Bis sie verstehen, dass sie  nicht dumm sind, auch wenn sie in Deutsch eine 4 geschrieben haben? Oder ist es gut, wenn sich unsere Kinder schnell an das System gewöhnen, denn das Leben ist kein Ponyhof?

2. Wissen unsere Kinder nach der Schule, was sie machen wollen? Werden sie in der Schule daran geführt, herauszufinden, was sie wirklich können oder hecheln sie nur von der einen Noten zur nächsten? Oder schließt sich das nicht aus? Mag man automatisch das gern, wo man gute Noten schreibt?

In meinen Coachings starte ich die Sessions oft mit drei Fragen:

  • Worüber hast Du Dich in der letzten Woche gefreut?
  • Worüber hast Du Dich in der letzten Woche geärgert?
  • Worauf bist Du stolz und was war Dein Beitrag dazu?

Häufig höre ich bei der ersten Frage: „Ich habe in Bio eine 2 geschrieben.“ oder bei der zweiten „In Mathe gab es wieder eine 4 für mich.“ Ich versuche, hinter die Kulissen zu schauen. Was hast Du gemacht, dass Du in den Fächern die Zensuren geschrieben hast? Was lief gut, was lief nicht gut? Damit die Note nicht das wichtigste ist. Sondern der Weg dorthin. Und dann frage ich, worüber er oder sie sich gefreut hat, was nicht mit der Schule zu tun hat. Denn das Leben besteht nicht nur aus Schule – auch wenn es manchmal den Anschein hat.

Laura aus der Eingangsgeschichte hat sich nur auf die 5 konzentriert. Die 1 im Grammatikteil hat sie gar nicht richtig gesehen und schon gar nicht gebührend gefeiert. Eine 1. In Deutsch. Hallo? Ist das nicht ein Grund, sich kräftig auf die Schulter zu klopfen und zu sagen „Das habe ich prima gemacht?“.

Zwei Sachen vorweg:

Dieser Artikel richtet sich nicht gegen Lehrer. Ich habe großen Respekt vor den täglichen Herausforderungen, die ein Lehrerberuf mit sich bringt. Der Artikel soll zeigen, wie schwer es ist, gerechte und aussagekräftige Noten zu geben. Welche Wege gibt es für uns Eltern, damit umzugehen und gleichzeitig das Lernen zu fördern?

Ich bin kein Freund von Noten, jedenfalls nicht uneingeschränkt und das aus folgenden Gründen:

 

Woher kommen eigentlich die Zensuren?

Oft ist es interessant zu verstehen, wie scheinbar unumstößliche Rahmenbedingungen überhaupt entstanden sind, um zu klären, ob sie noch eine Daseinsberechtigung in unserer Zeit haben.

Die Entstehung der Zensuren reicht weit ins Mittelalter zurück. Wo Anfangs die Bildung noch in Klöster stattgefunden hat, fand Bildung ab Mitte des 18. Jahrhunderts auch mehr und mehr außerhalb von Klostermauern statt.

Das Notensystem hat sich schrittweise verändert. Zu Beginn gab es drei Stufen, dann vier, fünf und erst im letzten Jahrhundert haben wir sechs Stufen. Die Note 6 wurde erst 1938 eingeführt. Und zwar einfach aus dem Grund, dass es bei 6 Zensuren keine Mitte gibt. Wenn anfangs ein ‚Nicht Genügend‘ kein Grund war, nicht studieren zu können, so entscheiden nun die Noten darüber, in welche weiterführende Schule die Kinder gehen und in welchen Beruf sie später starten können. Die Schulnoten gewannen mit der sukzessiven Einführung der Schulpflicht mehr und mehr an Bedeutung.

Seit dieser Zeit hat sich das Notensystem nicht verändert. Und auch kaum die Fächer. Unsere Gesellschaft sehr wohl. Und ebenso die Arbeitswelt. Gerade im Hinblick, dass nicht mehr Fleiß und Betragen eine Rolle in der Arbeitswelt spielen, sondern Kreativität und interdisziplinäres Denken, dürfen wir überlegen, ob die jetzige Notengebung in der Form noch zeitgemäß ist.

 

Sind Noten fair?

Letztens kam meine Tochter nach Hause. „Ich habe eine 2 in Spanisch mündlich“, rief sie mir schon von weitem zu. Sie war ganz überrascht, denn immerhin hat sie sich so gut wie gar nicht gemeldet. Dieses Mal war der Notengott gnädig mit ihr.

Wie geht es introvertierten Schüler und Schülerinnen, die sich einfach nicht trauen sich zu melden? Ein vielgemeinter Rat „Lege 3 Stifte auf den Tisch und für jedes Mal melden legst Du einen zurück in Deine Federtasche“, hilft den SchülerInnen nur bedingt weiter. Ihre Persönlichkeit wird sich dadurch nicht ändern und ihnen wird schon früh das Gefühl gegeben, dass sie nicht richtig sind, so wie sie sind. Ist das in Ordnung? Sind mündliche Noten mit einem einheitlichen Bewertungsschema für alle noch zeitgemäß, wenn wir vom individualisierten Unterricht sprechen?

In den schriftlichen Leistungen ist es ähnlich. Gerade in Fächern, in denen viel geschrieben wird. Deutsch, Geschichte, Philosophie. Da gibt es Ausdruckfehler, die die Zensur beeinflussen. Zusammenhänge, die man nicht erkannt hat. Bestimmte Wörter, die man nicht genannt hat, aber die Bedeutung mit anderen Wörter umschrieben hat. Das alles kann die Note beeinflussen – abhängig vom Lehrer.

Auch in Sport werden Kinder benotet. Kinder, die einfach kein Hochsprung können – egal wie oft sie es probieren. Die einfach nicht schnell laufen können – egal wie sie sich anstrengen. Sie alle bekommen eine schlechte Sportnote. Ihre Lust, am Sportunterricht teilzunehmen ist gering. Sollten die Anstrengung und den Willen, es immer wieder neu zu probieren in der Note mit einfließen? berücksichtigen? Und da gibt es natürlich noch die Kunstnote und die Musiknote…

Die Probleme mit der Vergleichbarkeit sind folgende:

  • Lehrer sind auch nur Menschen. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass Dein Kind eine bessere Note z.B. im Aufsatz bekommt, wenn der Lehrer vorher schlechte Arbeiten korrigiert hat, groß.
  • Es gibt unterschiedliche Vorgaben abhängig von Schule und Bundesländer. So können Lehrkräfte selbst entscheiden, wie viele Punkte in einer Arbeit für die richtige Antwort vergeben wird und wie viel für falsche Antworten abgezogen werden. In Mathe geben manche Lehrer Folgefehler, andere nicht.
  • Vornamen beeinflussen die Zensuren. Ausländische Namen und bestimmte Vornamen haben einen negativen Einfluss auf die Noten.

Nicht nur, dass die Vornamen selbst die Notengebung beeinflusst, sondern auch die Person an sich. So sagt ein Lehrer, dass es ihn beeinflusst, wenn er weiß, wer die Klausur geschrieben hat. Auch wenn auf den Arbeiten kein Name steht, so erkennt er doch die Handschrift und ist damit nicht mehr neutral. In einem Artikel im Spiegel erzählen Lehrer, wie sie es versuchen, gerechte Noten zu geben und geben zugleich auch zu, dass es ihnen schwer fällt.

Was sagen Noten aus?

„Mama, ich habe eine 2 in Mathe!“ „Super! Was hat denn Torben?“ Kennst Du so eine Situation? Die Noten suggerieren, dass die Leistungen vergleichbar sind. Sind sie das wirklich? Vielleicht lassen sich die Noten innerhalb der Klasse noch miteinander vergleichen, innerhalb einer Klassenstufe wird das schon schwieriger. Die Note, die Henri in der 5a in Englisch bekommen hat, lässt sich schwer mit der von Lina aus der 5d vergleichen – auch wenn beide den gleichen Unterrichtsstoff behandelt haben und vielleicht auch die gleichen Arbeiten geschrieben haben. Dafür sorgen schon die o.g. Probleme mit der Vergleichbarkeit.

Wenn die Noten schon nicht mehr stufenübergreifend vergleichbar sind, wie können sie dann innerhalb eines Bundeslandes, oder gar deutschlandweit vergleichbar sein?

Einem NC ist es egal, ob das Abitur in Bayern oder Bremen gemacht wurde. Es zählt nur die Zahl. Dafür gibt es ja die Noten. Teilweise werden Landesquoten vergeben, in denen nur Bewerber aus gleichen Bundesländer konkurrieren. Teilweise messen sich aber Bewerber aus allen Bundesländer miteinander. Und überhaupt NC – ist man ein besserer Arzt, nur weil man ein super Abitur und Eignungstest hat? Wie werden andere Fähigkeiten, die ich für den Arztberuf wichtig finde wie Empathie, berücksichtigt?

In diesem Zusammenhang finde ich es super wichtig, dass sich Dein Kind sich nur mit sich selbst vergleicht. Was konnte Dein Kind vor einem Monat, was kann es jetzt?  Das lernt Dein Kind oft nicht von allein. Oft wird es mit allen anderen verglichen. Mit der großen Schwester. Mit dem Cousin. Mit den anderen Kindern in der Klasse.

Wenn Du den Fortschritt siehst, den Du von einem zum anderen Zeitpunkt geschafft hast, dann motiviert es Dich. Das Problem: Die kleinen Schritte zwischendurch sehen wir oft nicht, aber wenn wir einen größeren Zeitdauer nehmen, dann stellen wir auf einmal fest, was wir alles schon gelernt haben. Und so geht es auch Deinem Kind.

Klassennotendurchschnitte sind nicht aussagekräftig genug. Nehmen wir an, Dein Kind ist nicht gut in Rechtschreibung und hat im Diktat eine 5. Jetzt hat er gelernt und hat eine 4- geschafft. Der Notendurchschnitt ist eine 2,3 und somit ist er schlechter als die meisten seiner Klasse. Aber er hat sich verbessert. Das. Ist. Ein. Erfolg. Und das motiviert. Wenn Du und Dein Kind es schaffen, das auch als Erfolg zu sehen. Natürlich ist eine 3 eine größerer Erfolg und den wird es vielleicht nächstes Mal geben. Vergleiche also am besten die Leistung von Deinem Kind, die es heute zeigt, mit der, die es gestern gezeigt hat.

 

Können Noten motivieren?

„Ich gebe Dir jetzt die schlechtere Note, und dann zeigst Du in den nächsten Wochen nochmal ordentlich, was in Dir steckt.“ Den Satz hörte ich von meinem Französischlehrer und wusste gar nicht, was ich damit anfangen sollte. Ich hatte mich doch wirklich angestrengt und dann das. Für mich war es ein Misserfolg und so fühlte es sich auch an. Überhaupt nicht motivierend.

Noten sollen motivieren. Bekommst Du eine schlechte Note und die ist vielleicht noch schlechter als der Durchschnitt, dann strengst Du Dich noch mal besonders beim nächsten Mal an. Motivation durch schlechte Zensuren. Soweit die Theorie.

Bis zu einem gewissen Grad können schlechte Zensuren motivieren. Wenn man überzeugt ist, dass man es besser kann und die schlechte Note ein Ausrutscher war. Je öfter der Ausrutscher kein Ausrutscher ist, sondern sich zu einer Regelmäßigkeit entwickelt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Misserfolg demotiviert.

In einem Bericht im Spiegel spricht eine Lehrerin davon, dass sie nur noch gute Zensuren gibt. Da sie sich dann nicht mehr darauf konzentrieren muss, ob sie genug überprüfbaren Lernstoff vermittelt, kann sie für die Klasse sinnvolle Themen unterrichten. So sind die Schüler und Schülerinnen aus Überzeugung motiviert und passen nicht nur auf, weil sie Angst vor Konsequenzen haben. So kann nachhaltiges Lernen stattfinden.

Zurück zu meinem Französischlehrer. Warum hätte er nicht sagen können „Ich weiß, wie sehr Du Dich angestrengt hast und das honoriere ich. Du bekommst die bessere Note und im zweiten Halbjahr legst Du noch mal einen Zahn zu. Ich weiß, dass Du das kannst.“ Ich denke, das hätte mich auf jeden Fall motiviert.

 

Warum haben wir Noten?

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft wurde mir einmal erzählt. Darum brauchen wir die Noten. Ich musste erst einmal nachschlagen, was genau bedeutet denn Leistungsgesellschaft.  In einer Leistungsgesellschaft soll sich Leistung lohnen. Wer mehr leistet, soll auch mehr bekommen: ein höheres Einkommen, mehr Macht, mehr Ansehen, mehr Erfolg. Das klingt logisch. Wenn jemand mehr leistet, soll er auch mehr dafür bekommen. Wenn sich jemand anstrengt, dann darf das honoriert werden. Das Problem ist nur, wie wird Leistung bemessen? Und hier kommen u.a. die Noten ins Spiel. Wenn also Einkommen, Macht, Ansehen und Erfolg von den Noten abhängig sind, dann nehmen Noten unweigerlich einen hohen Stellenwert ein.

Wenn wir es schaffen, den Fokus weg von den Noten zu legen hinzu… ja, zu was denn eigentlich? Was könnte die Noten ablösen oder unterstützen?

Wir Eltern denken, dass unsere Kinder nur lernen, wenn es Noten gibt. Die 12-jährige Charlotte, die ich im Coaching hatte, hatte mir gesagt: „Die Noten sagen gar nichts aus, ob ich gelernt habe oder nicht.“ Ich finde, dass das eine reife Aussage ist. Also, was sagen die Noten denn nun aus?

Die Noten benoten das Endergebnis und sind eine Zustandsaussage. Sie bewerten nicht den Weg zum Ziel, nämlich die Anstrengungen und die Bemühungen. Oft werden die Noten in einem großen zeitlichen Abstand gegeben. Da wird die Arbeit an einem Montag geschrieben und die Note dafür gibt es  zwei Wochen später. Dann steht sie da. Und sie ist dann Belohnung oder Strafe für das, was man vor zwei Wochen gemacht hat. Wie wird dann die Tatsache anerkannt, dass sich Dein Kind hingesetzt und gelernt hat? Dass es sich durch eine Aufgabe gekämpft hat, die es anfangs nicht verstanden hat und dann doch sicher rechnen konnte? Das ist ein toller Erfolg und darf gesehen werden. Und zwar genau in dem Moment und nicht erst 2 Wochen später. „Ich sehe, dass Du Dich immer wieder hinsetzt und Dich gerade bei der einen Aufgabe durchgebissen hast. Großartig!“

Apropos Leistungsgesellschaft: Wie werden Punkte wie Gesundheit oder Glücklichsein in einer Leistungsgesellschaft berücksichtigt? Wenn diese Punkte eine größere Rolle spielen, welchen Einfluss hat das auf die Noten?

 

Wie können wir als Eltern mit den Noten umgehen?

Wichtig ist, dass wir verstehen, dass die Noten nicht objektiv sein können. Es wird eine Vergleichbarkeit vorgespielt, die es nicht gibt. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Noten differenziert zu sehen.

Ich bin dafür, dass wir unseren Kindern Zeit geben, innerlich zu wachsen, damit sie lernen, mit einer Bewertung von außen umgehen zu können. Manche Kinder mögen gern im Wettbewerb mit anderen stehen, die spornt es an. Andere Kinder können mit dem Druck nicht umgehen. Und diese Kinder dürfen spüren, dass sie gut so sind, wie sie sind. Unabhängig von der Note.

Für Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, ist Lernen ein selbstgesteuerter lustbetonter Vorgang. Wir mussten ihnen nicht sagen, dass sie krabbeln, laufen, sprechen, Fahrrad fahren lernen sollten. Das haben sie von allein gemacht, die eigenen Motivation war groß. Das hört oft auf, wenn sie in die Schule kommen. Da gibt es plötzlich Zensuren, Druck, Strafe und Belohnung. Ein denkbar ungeeigneter Boden, um von sich aus lernen zu wollen. Auf dem Boden kann keine eigene Motivation wachsen.

Wir als Eltern können jetzt schon etwas tun, damit die Noten den Schrecken verlieren. Wir können eine andere Haltung einnehmen. Nicht nur die nackte Zensur sehen, sondern das, was dahinter steckt. Wir kennen unser Kind, wir wissen, was es für die Zensur geleistet hat. Wir dürfen lernen, unseren Kindern zu vertrauen. Kinder sind nicht absichtlich schlecht in der Schule. Sie sind auch traurig, wenn sie schlechte Noten schreiben. Auch wenn sie es nicht zeigen. Und was bedeutet eigentlich schlecht? Ist eine 3 schon schlecht?

Manchmal ärgern wir Eltern uns auch, dass unser Kind scheinbar gleichgültig der Zensur gegenüber steht. Wir sehen dann ein Schulterzucken auf unsere Frage: „Was sagst Du dazu? Warum ist es wieder nur eine 4 geworden?“ Oft ist die gezeigte Gleichgültigkeit nur ein Schutz. Vielleicht hat es bereits eine Vergangenheit mit Zensuren, Lernen, Enttäuschungen und Druck. Und so schützt ein scheinbares Desintessere vor weiteren Enttäuschungen.

Unsere Kinder haben nicht die Möglichkeit, sich aus der Schule zu entlassen, wenn es nicht so läuft und der Druck zu groß wird – so wie es manche Sportdirektoren beim Fußball oder in der freien Wirtschaft können. Die Kinder müssen nicht nur durchhalten, sie müssen auch noch besser werden. Oft stehen die Zensuren über alles. Die einzige Antwort, die unsere Kinder haben, können dann  Schmerzen wie Bauchschmerzen und Kopfschmerzen bis hin zur Schulverweigerung sein. So weit muss das nicht kommen.

Wir Eltern dürfen den Kindern das Gefühl geben, dass Noten nichts mit der Persönlichkeit unseres Kindes zu tun haben. Dein Kind schreibt eine 5 – dann ist Dein Kind trotzdem noch ein toller Mensch, der sich rührend um seinen kleinen Bruder kümmert. Die Note definiert nicht Dein Kind. Bindung vor Bildung, wie mir einmal eine liebe Kollegin gesagt hat. Wenn die Bindung stimmt (übrigens eins der vier psychologischen Grundbedürfnisse), dann kann sich Dein Kind weiterentwickeln.

Hier noch einmal ein paar Tipps für den Umgang mit Noten:

  • Versuch, hinter die Zensur zu schauen. Wie ist sie entstanden? Was lief gut? Welche Fehler hat Dein Kind gemacht? Sind es andere Themen, als die, die es eigentlich gelernt hat? Was kann Dein Kind von den Fehlern lernen?
  • Wenn Dein Kind mit der Zensur unzufrieden ist, versuch das Gefühl erst einmal zu ’sehen‘, vielleicht mit einem „Ich sehe, Du bist enttäuscht. Erzähle mir mal, was passiert ist.“ Oft sagen wir solche Dinge wie „Dann hast Du wohl nicht genug gelernt“, „Warum hat es denn schon wieder nicht geklappt?“  oder „Beim nächsten Mal wird es besser“. Der letzte Satz ist nett gemeint, hilft Deinem Kind in der Situation nur sekundär, da es erst einmal lernen darf, mit der Enttäuschung zurechtzukommen.
  • Versuch Deinem Kind zu vertrauen und gebe ihm Kind die Basis, aus der es sich entwickeln kann.
  • Versuche Dein Kind nur mit selbst zu vergleichen. Was hat es im Vergleich zum letzten Mal gelernt, was lief besser, was kann besser laufen?
  • Versuch Dein Kind das Gefühl zu geben, dass eine Note nur eine Momentbeschreibung ist. Oft ist man erst einmal schlecht, bevor man gut ist. Das ist beim Erlernen einer neuen Sportart so, dann ist das auch in der Schule bei einem Schulfach möglich. Erinnere es dann genau an diese Situation, wo Dein Kind erst schlecht war, dazu gelernt hat und dann besser wurde.

Das Zeugnis auf dem Beitragsbild ist übrigens meins aus der 6. Klasse. Ich kann mich noch daran erinnnern, dass ich mit Übergang aufs Gymnasium in jedem Fach eine Note schlechter wurde. Das war schon hart für mich. Wie gut, dass meine Eltern nicht den Fokus auf meine Noten gelegt haben und ich mich weiterentwickeln durfte. So habe ich den Glauben an mich entwickeln können und nach Abi und Lehre Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Genau diese Haltung versuche ich auch, bei meinen Kindern zu zeigen. Oft sind die Noten super und manchmal können sie besser sein. Und ich weiß, dass meine Kinder ihren Weg gehen werden, egal mit welcher Note. Denn sie sind mehr als nur eine Note.

 

Welche Alternativen zu Noten gibt es?

Wenn die Schüler und Schülerinnen zu Beteiligten des eigenen Lernens gemacht werden, dann bekommen sie Kontrolle zurück und spüren, dass sie selbstwirksam sind. Das sind zwei Faktoren der vier psychologische Grundbedürfnisse von Prof. Dr. Klaus Grawe. Neben Kontrolle und Selbstwirksamkeit gibt es noch stabile Beziehung und Lustgewinn, d.h. wir sehen einen Sinn in den Dingen, die wir tun. Sind diese erfüllt, so ist der Mensch egal wie alt er ist, zufrieden und glücklich. Eine tolle Basis, um über sich herauszuwachsen und sich weiterzuentwickeln.

Es gibt Schulen, die erst Noten mit der 9. Klasse vergeben. Die sind dann wichtig für den Ersten Schulabschluss (ESA – früher Hauptschulabschluss). Was passierte dann mit den Schülern und Schülerinnen, als sie Noten bekamen?  Sie fingen an, sich selbst zu betrügen. Sie schummmelten und lernten nur noch das, wo es am meisten Punkte gab. Vor den Noten war es ihnen wichtig, ihren Wissensspeicher aufzufüllen und viel zu lernen. Nur noch die Zensur war wichtig, aber nicht mehr, ob sie etwas gelernt haben. Lernen wir jetzt daraus, dass es besser ist, die Noten schon früh einzuführen oder ist das ein Argument, vielleicht auf Noten ganz zu verzichten?

Vielleicht müssen wir auch über ein anderes Lernen nachdenken, die die Individualität des Einzelnen entgegeben kommt. Hierzu gibt es zahlreiche Beispiele – auch wie eine andere Notengebung in der Praxis umgesetzt werden kann. Montessori und Waldorfschulen sind hier bekannte Beispiele, aber auch andere Schulen, die sich in dem Verbund ‚Blick über den Zaun‘ zusammengeschlossen haben, gehen einen anderen Weg. Individuelle Förderung, anderes Lernen, Schule als Gemeinschaft und Schule als lernende Institution, d.h. dass die Schule selbst sich ständig gemäß wandelnden Bedingungen und Anforderungen weiterentwickeln darf.

Noten sind Zustandsberichte, Momentaufnahmen. Das steht im Gegensatz zum Lernen, das ein Entwicklungsprozess ist. Denn wir wollen doch, dass sich unsere Kinder weiterentwickeln. Wichtig für die Weiterentwicklung sind Rückmeldungen. Noten sind Rückmeldungen. Allerdings einseitige. Wenn Rückmeldungen im Dialog entstehen, dann ist die Akzeptanz größer. Damit meine ich nicht, dass die Noten ausdiskutiert werden sollen (ok, manchmal werden sie das), sondern dass die Rückmeldungen mit Zielvereinbarungen und Entwicklungsbericht wertschätzend erfolgen. Bei Noten ist es schon wertschätzend, wenn hinter den Noten noch ein Satz steht wie z.B. „Weiter so“, „Du bist auf einem guten Weg“ oder „Ich weiß, dass mehr Dir mehr“. Es muss eine andere Beurteilung geben, eine, die individuell auf das Kind eingeht.

Das erfordert natürlich Zeit, und ich bin mir bewusst, dass diese oft fehlt. Das darf aber keine Erklärung dafür sein, dass alles beim Alten bleibt.

Durch Umzüge haben meine Kinder (und damit auch ich) andere Schulen und unterschiedliche Schulsysteme kennengelernt. In einer Schule wurden die Kinder ermutigt, andere Lernwege zu gehen und eher ein Miteinander als ein Gegeneinander zu leben. Arbeitsergebnisse wurden gezeigt und Kinder konnten so unterschiedliche Herangehensweisen und Gedanken der anderen Kinder kennenlernen. Dadurch konnten sie andere Perspektiven einnehmen. Es gab keine Zensuren, sondern Feedback und Zielgespräche, die meine Kinder motiviert haben, zu lernen. So haben meine Kinder gelernt – auch ohne Noten.

Durch mein LernCoaching möchte ich erreichen, dass die Kinder sich unabhängig von Noten sehen. Dass sie merken, dass sie selbstwirksam sind, dass sie tolle Erfolge erreichen können. Die Noten werden sich einstellen, wenn die Basis gegeben und Vertrauen vorhanden ist.

Zurück zu Laura, mit der dieser Artikel begann. Wir haben bei dem Diktat alles in grün markiert, was sie richtig geschrieben hat. Insbesondere die Lernwörter. Es stellte sich heraus, dass sie von den Lernwörter nur 2 falsch geschrieben hat. D.h. die Arbeit hat gezeigt, dass sie gelernt hat, die Fehler waren woanders. Und genau darum geht es. Sich nicht nur die Noten anzusehen, sondern wie sie entstanden sind. Daraus kann Laura etwas lernen und verbessern. Gab es vielleicht immer den gleichen Fehler? Gibt es eine Regelmäßigkeit, welche Wörter oft falsch geschrieben werden, wie z.B. Groß- und Kleinschreibung oder das mit ’ss‘ oder ’s‘? Diese Lernfelder können nun angegangen werden und daraus hat Laura viel mehr mitgenommen als nur die nackte Note.

Achso ja, meine Eingangsfrage „Welche Note ich den Noten gebe?“ – meine Antwort: Die Note in der jetzigen Form hat ausgedient. Wir brauchen sie nicht mehr, sie ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen ein anderes Feedbacksystem – aber dafür kann die Note nichts. Vielleicht kann sie sich auch weiterentwickeln und wir dürfen in der Zwischenzeit lernen, anders mit ihr umzugehen? Das erfordert ein Umdenken auf vielen Ebenen – und es ist möglich.

Ich freu mich, Deine Meinung zu Noten in den Kommentaren zu lesen. Und nun wünsche ich Dir achtsames Noteninterpretieren und freundliches Kommentieren.

Tschüß und lass die Neugier in Deinen Alltag

Trixi

P.S. Und wenn Du wissen möchtest, wie Dein Kind ein GerneLerner wird und Du endlich mehr Zeit für Dich hast, dann schau in das GerneLerner Buch – dort findest Du mein gesammeltes Wissen von A wie Alles übers Lernen bis Z wie Zugang zu digitalen Medien

Über den Autor - also über mich 

Moin, ich bin Trixi. Hast Du Lust auf ein streitfreies Familienleben MIT Schule? Und auf andere Gespräche am Abendbrottisch außer Schule, Noten und Zensuren? Hast Du wieder Lust auf freie Zeit für Dich mit gutem Gewissen?
Dann bist Du bei mir genau richtig. Ich helfe Familien, die von der Schule und dem Lernen gestresst sind, einen neuen Weg einzuschlagen, um so ein streitfreies Familienleben zu haben. Dabei kennt jeder seine eigenen Aufgaben - Du kannst Deine Kinder loslassen, ohne das Gefühl zu haben, sie fallenzulassen und die Kids kennen ihren Weg zum GerneLerner. So wird Lernen leicht wie Eis essen. 🍦

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