In der letzten Woche rief mich eine Mutter an. Sie und ihre Tochter streiten sich regelmäßig bei den Hausaufgaben und sie weiß nicht weiter. Ihre Tochter hat beim Lernen im Homeschooling das Gefühl, dass alles zu viel ist und sie niemals fertig wird. Sie sitzt vormittags vor dem Rechner, hört ihren Lehrern zu und nach den Meetings geht es weiter mit den Hausaufgaben.
Damit es schneller geht, setzt sich die Mutter dazu und hilft dem Kind. Das führt oft dazu, dass Mutter und Tochter aneinander geraten, weil die Tochter dann doch nicht so schnell ist und die Mutter auch noch ihren Job hat, der auf sie wartet.
Was tun?
Ehrlich gesagt, ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wie man es schaffen soll, seine Homeoffice Arbeit mit Lernen im Homeschooling und vielleicht sogar noch Homekindergarten zu kombinieren. Mit einem Kind ist es schon eine Herausforderung beides unter einen Hut zu bekommen. Wie soll das mit mehreren Kindern mit unterschiedlichen Altersklassen und unterschiedlichen Schulportalen klappen? Die eine Schule nutzt Teams, die andere Schule iSurf und die Grundschule Paddlet. Da hakt es mit dem Login bei iSurf und die Tochter hat gerade eine Frage bei Teams. Eltern sind auf einmal Lehrer – auch wenn es nicht direkt ausgesprochen wird – so fühlen sie es doch als ihre Aufgabe – weil es eben alle anderen (scheinbar) auch schaffen.
Als meine Kinder zwischen 4 und 10 Jahre alt waren, habe ich im Homeoffice gearbeitet. Jeden Tag um 14 Uhr hatte ich eine Telekonferenz, und ich wollte besonders professionell wirken und zeigen, dass ich ungestört arbeiten kann. Auf gar keinem Fall sollte ein ‚Jetzt nicht‘ oder ‚Ich komme gleich‘ zu hören sein, wenn meine Kinder etwas während der Konferenz von mir wollten. Das geht ja gar nicht! Ich war regelmäßig gestresst. Und dabei musste ich meine Kinder nicht einmal zusätzlich unterrichten, sondern hatte ’nur‘ meine Arbeit. Daher kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie alle ‚Home‘ Sachen zu schaffen sein sollen und allen Eltern, die gerade in der Situation sein, gehört mein großer Respekt.
Was habe ich der Mutter aus meiner Anfangsgeschichte geraten (das hätte ich mir damals auch sagen sollen)?
Es ok ist, wenn Du nicht alles schaffst.
Es ist ok, wenn es nicht perfekt ist.
Was hat das schiefe Bild von Loriot hier zu suchen?
Wer sagt denn, dass alles reibungslos klappen muss? Wir leben momentan in einer Ausnahmesituation, in der eben nicht alles klappen muss. Oft ist es die Gesellschaft, die den zusätzlichen Druck aufbaut und man sich gezwungen sieht, auch wirklich noch das letzte Arbeitsblatt abzugehen, weil Lola aus der Parallelklasse das auch schafft – dann kann ich das ja wohl auch!
Ist es wert, dass das Verhältnis zum eigenen Kind darunter leidet? Dass der Familiensegen schief hängt wie das berühmte Bild bei Loriot? Und wie das ausgegangen ist, wissen wir – am Ende hing nicht nur das Bild schief.
Wir Eltern dürfen auf unser Bauchgefühl hören!
Natürlich gibt es Tricks und Tipps, wie Du Dein Kind zum Lernen motivieren kannst. Dazu habe ich einen separaten Blogartikel geschrieben. Manchmal klappt es trotzdem einfach nicht und dann möchte ich uns Eltern Mut machen, auf unser Bauchgefühl zu hören und
- manchmal 5 grade sein zu lassen,
- dass Schule nicht das Wichtigste im Leben ist,
- dass die Kinder trotzdem etwas lernen – auch wenn es nicht das ist, was die Schule jetzt gerade vorgegeben hat.
- nicht gegen den Widerstand des Kindes zu arbeiten, wenn es sich sträubt, sich jetzt hinzusetzen, um zu lernen (warum lernen unter Angst und Stress nicht funktioniert, kannst Du hier lesen). Und schon gar nicht an sich selbst zu zweifeln, warum man es nicht schafft, das Kind zum Lernen zu bringen. Als Eltern ist man nicht automatisch Lehrer und Kinder lassen sich ab einem gewissen Alter kaum noch etwas von den Eltern sagen. Für mich geht Bindung über Bildung.
- auch an sich selbst zu denken und eine Auszeit zu nehmen – vielleicht mit einem guten Buch oder einer schönen Musik oder einer Fantasiereise (das tut im Übrigen auch unserem Kind gut, wenn es gestresst ist).
Und dann darf manchmal das letzte Arbeitsblatt auch unausgefüllt bleiben. Stattdessen können wir mit den Lehrern sprechen, dass es heute nicht zu schaffen war. Ich bin mir sicher, dass gemeinsam eine Lösung gefunden wird und sich die Angst, dass das Kind den Anschluss verlieren könnte, durch ein Gespräch schnell aus der Welt geschaffen werden wird.
Hierüber hatte ich mit Christina Petsch gesprochen. Sie ist Lehrerin an einem Gymnasium und in diesem Interview, haben wir über das Lernen im Homeschooling diskutiert.
Mich interessieren besonders Deine Gedanken zu diesem Thema. Ich freue mich über Deinen Kommentar – wenn Du dazu Zeit findest in dieser turbolenten Zeit!
Lass‘ die Neugier in Deinen Alltag!
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Liebe Trixi, ich sitze hier und habe Trän(ch)en in den Augen. Ja, warum lassen wir uns so unter druck setzten. Es ok ist, wenn Du nicht alles schaffst. Es ist ok, wenn es nicht perfekt ist. Genau so ist es und dafür kämpfe ich gerade so sehr. Schade ist nur, wenn die LehrerIn dabei nicht mitspielen. Da ist es nämlich leider nicht ok, wenn ein Blatt nicht abgegeben wurde, wenn ein Heft gerade gefehlt hat bei der Abgabe … da heißt es dann „das kannst du besser“, „konzentrier dich besser im Video-Call“ … Ich bin letzte Woche aufgrund dieser Worte der Lehrerin meiner Tochter ausgeflippt am Schulhof. Wie kann man das einer Erstklässlerin nur sagen, die gerade ganz stolz ihre Wochenaufgaben abgibt und so fleißig war die ganze Woche. Sich in jedem Call aktiv meldet und gewissenhaft ist. Es steht und fällt mit den Lehrern, die den Druck leider an der ein oder anderen Stelle einfach durchreichen. Es gibt aber auch die, von denen du sprichst, die empatisch reagieren und gemeinsam Lösungen finden. Wie bei meinem Sohn in der 4. Klasse. Dieser Lehrerin bin ich ewig dankbar, wie sie mit dem Frust und der Motivationslosigkeit unseres Sohnes gegen Ende des Schulschließungen umgegangen ist. Es gibt solche und solche. Dein Blick tut gut und bestätigt mich in allen Fazetten.
Liebe Monika, vielen Dank für Deine wertvolle Rückmeldung! Wie schön, dass Du ein Positiv-Beispiel erlebt hast! Und ja, es gibt auch die Negativ-Beispiele. Und gerade da sind wir als Eltern mit unserem Mut gefragt. Wir wissen, was unsere Kinder getan, gelernt und geleistet haben. Vielleicht hat die Lehrerin all die positiven Sachen nicht gesehen, weil sie selbst mit den Rahmenbedingungen noch nicht klar kommt. Vielleicht denkt sie, dass ein ‚das kannst Du besser‘ motivierend wirkt, wenn manchmal das Gegenteil der Fall ist? Manchmal sind die Lehrer mit der ’neuen‘ Situation auch überfordert und denken, dass online alles reibungslos funktionieren muss. Und dann dürfen wir mutig sein und genau das den Lehrern widerspiegeln. Wie fühlte sich Deine Tochter nach den Kommentaren der Lehrerin? Es ist so wichtig, dass wir die Gefühle unserer Kinder ernst nehmen und sie merken, dass das, was sie fühlen ok ist. Und was ich noch sagen wollte: Super, dass sich Deine Tochter online meldet – das bekommen selbst größere Kinder nicht hin – und glaub mir, ich sprech da aus Erfahrung 🙂