Wie toll wäre es, wenn wir als Eltern einfach einen Zauberstab schwingen könnten wie Bibi Blocksberg und mit „Hex hex“ setzt sich Dein Kind an den Schreibtisch und lernt. GerneLernen. So ganz von allein. Ohne, dass Du etwas sagen musst. Der Druck ist weg. Und Du hättest auf einmal Zeit. Für die anderen Geschwister. Oder sogar für Dich.
Wie klingt das? Zu schön, um wahr zu sein? Das ist möglich! Oft leider nicht von jetzt auf gleich. Aber wir können die Weichen in die richtige Richtung stellen.
Du kannst jetzt vielleicht denken, warum mach ich mir solche Gedanken, dass mein Kind lernt, damit es gern lernt. Ich habe früher auch lernen müssen, Augen zu und durch. Basta.
Du würdest jetzt nicht diesen Artikel lesen, wenn Du es nicht anders machen möchtest. Und das ist großartig! Denn Lernen kann leicht sein. So leicht wie Eis essen. Und dazu dürfen wir manchmal einen anderen Weg gehen als den, den wir bereits kennen.
Also, los geht’s!
🍦 Welche Grundbedürfnisse haben wir?
Damit es uns gut geht, wir vor Energie nur so strotzen und glücklich und zufrieden durchs Leben gehen, müssen unsere Grundbedürfnisse erfüllt sein. Denn so wie es körperliche Grundbedürfnisse gibt, so gibt es auch psychologische Grundbedürfnisse. Und um genau die geht es in diesem Beitrag.
Die körperlichen Grundbedürfnisse können wir schnell selbst wahrnehmen und meistens eigenständig befriedigen: Wir fühlen, wenn wir Schlaf brauchen, wenn wir hungrig oder durstig sind und können entsprechend handeln. Aber was sind psychologische Grundbedürfnisse? Und was haben die mit dem GerneLernen zu tun?
🍦 Bedürfnis nach Kontrolle fürs GerneLernen
Wie wird das in der Schule berücksichtigt? Im Allgemeinen eher gar nicht. In der Schule wird unseren Kindern erzählt, wie, wann und was sie lernen soll. Das widerspricht dem Bedürfnis nach Kontrolle. Auch im außerschulischen Leben unserer Kinder treffen wir viele Entscheidungen für sie. Selten haben sie die Möglichkeit eigene Entscheidungen zu treffen. Wir sagen ihnen,
- was sie anziehen sollen – und wenn sie selbst entscheiden fragen wir sie, ob sie sicher sind und nicht vielleicht doch die warme Jacke anziehen wollen,
- wann sie lernen sollen,
- was sie lernen sollen,
- wann sie ins Bett gehen sollen,
- wann sie aufstehen sollen,
- wie viel Zeit sie am Computer sitzen sollen,
- dass sie nicht auf die Mauer gehen sollen, da sie zu hoch ist,
- dass sie jetzt lesen sollen,
- was sie essen sollen,
- dass sie Sport treiben sollen,
- dass sie ein Musikinstrument spielen sollen.
- usw.
Bei manchen Dingen ist es sicher sinnvoll, wenn wir als Eltern die Kontrolle übernehmen. Dann gibt keine zwei Meinungen. Bei mir ist das z.B. wenn es um das Essen geht. Ich möchte keine Kinder, die schmatzend mit ihren Händen essen. Basta.
Bei anderen Situationen können Kinder durchaus Entscheidungen treffen bzw. an ihnen beteiligt werden. Z.B. wenn es darum geht, wann sie lernen sollen oder was sie anziehen. Und wenn sie die Sommerjacke im Winter anziehen wollen, dann werden sie schnell feststellen, dass es ihnen zu kalt ist. Natürliche Konsequenzen sind das. Das Gute ist, dass die von ganz alleine kommen. Wir müssen uns keine Gedanken machen, wie die Konsequenz aussehen kann. Anders verhält es sich natürlich, wenn Dein Kind aus besonderen gesundheitlichen Gründen sich warm anziehen muss. Dann ist es wichtig, dass Du die Entscheidung triffst. Aber davon gehe ich jetzt nicht aus.
Insgesamt sind unsere Kinder viel zu selten an Entscheidungen beteiligt, die sie betreffen. Mit der Folge, dass sie unzufrieden sind. Und selten sagen sie zu uns: „Mama, ich möchte auch meine eigenen Entscheidungen treffen, dann bin ich glücklicher.“
Wenn uns Eltern etwas wichtig ist und wir unbedingt wollen, dass unser Kind das macht, dann können wir ihm Entscheidungsmöglichkeiten geben. Wie z.B. beim Erlernen eines Musikinstruments. Vielleicht muss es nicht das Klavier sein und Blockflöte spielen reicht auch? Insgesamt gebe ich immer zwei Möglichkeiten. Bei drei oder mehr ist das Kind häufig überfordert und kann sich nicht entscheiden.
Der positive Nebeneffekt ist, wenn Dein Kind viele Entscheidungen treffen kann (und wenn sie noch so klein sind), dann kannst Du bei Situationen, die Dir wirklich wichtig sind sagen: „Jetzt haben wir es so oft gemacht, wie Du es wolltest, dieses Mal machen wir es, wie ich es möchte.“ Und das kann Dein Kind viel besser akzeptieren.
🍦 Bedürfnis nach Lustgewinn fürs GerneLernen
Lernen und Lust? Das passt doch gar nicht zusammen, oder? Sind das nicht zwei verschiedene Dinge? Hast Du schon mal gesehen, wie viel Lust Dein Kind hat, einen neuen Fußballtrick zu lernen? Oder wie es auf das nächste Level von Minecraft kommt? Lernen kann Spaß machen. Und dann ist die Lust aufs Lernen auch da.
Leider ist das nicht immer der Fall. Besonders nicht, wenn es um schulische Themen geht. Und doch muss gelernt werden. Egal, ob die Lust da ist oder nicht. „Ich kann doch nicht warten, bis mein Kind Lust hat zu lernen“, wirst Du sicher sagen, „Dann wird es gar nicht lernen!“ Und oft genug hast Du damit Recht! Du kannst nicht warten, bis Dein Kind sagt „So Mama, jetzt habe ich Lust zu lernen.“
Du kannst aber herausfinden, was Dein Kind braucht, um etwas gern zu machen. Und das müssen nicht immer Sachen sein, die mit der Schule zu tun haben. Hat es eine Sportart, die es gern macht? Wie verbringt es die Freizeit? Gibt es da etwas, was ihm Spaß bringt? Und wenn es ’nur‘ Computerspiele sind. Auch daraus lässt sich eine Menge ableiten. Es gibt Computerspiele, bei denen man im Team gemeinsame Ziele verfolgt, und bei anderen ist es wichtig, sich alleine durchzuschlagen. Und damit hast Du schon einmal eine Idee, was Dein Kind zum GerneLernen braucht.
Wenn wir gerne lernen, dann erleben wir häufig ein Flow Gefühl. Wir vergessen die Zeit und wir wollen die Dinge lernen. Dieser Zustand stellt sich ein, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Die Aufgabe darf weder zu schwer noch zu leicht sein. Darauf ist besonders beim Lernen zu achten. Ist Dein Kind in der Lage, die Aufgabe zu lösen oder ist sie zu schwer oder zu leicht? In beiden Fällen ist Dein Kind schnell frustriert und demotiviert. Daher ist es manchmal nicht zielführend, Dein Kind das zehnte Arbeitsblatt mit den gleichen Aufgaben durchzupeitschen, weil es keine Lust mehr dazu hat, da es beim fünften schon gezeigt hat, dass es die Thematik verstanden und automatisiert hat.
- Das Ziel, das mit der Aufgabe erfüllt werden soll, muss klar sein. Ebenso die Schritte dahin. Denn dann kann Dein Kind sich voll und ganz auf die Aufgabe konzentrieren, ohne dass es merkt, dass es sich konzentriert. Es kennt die nächsten Schritte und gleitet zum Ziel.
- Dein Kind benötigt zeitnahes Feedback zu seinem Handeln. Entweder, weil es sieht, dass die mathematische Lösung richtig ist oder weil es Feedback von außen erhält. Feedback zeigt Deinem Kind, dass es auf dem richtigen Weg ist und was die nächsten Schritte sind.
Wann hattest Du das letzte Mal ein Flow Gefühl, wo Du so richtig in eine Sache aufgegangen bist? Ich habe es in der Tat oft beim Lernen von neuen Inhalten – und beim Tennisspielen.
🍦 Bedürfnis nach Selbstwertgefühl fürs GerneLernen
Wir alle streben danach, gesehen und anerkannt zu werden. So wie wir sind. Egal was wir leisten. Egal wie erfolgreich/schnell/kreativ/… wir im Vergleich zu anderen sind. Weil wir einfach da sind.
Das Selbstwertgefühl wächst, wenn wir unsere Kinder annehmen, wie sie sind. Mit all ihren Stärken und Schwächen. Ich bin gut so wie ich bin. Dein Kind ist gut so wie es ist. Klingt das nicht toll? Wie können wir das unseren Kindern zeigen? Wichtig ist, dass wir unsere Wertschätzung nicht an seine Leistungen knüpfen. Wir dürfen unsere Kinder einfach nur so umarmen, weil es da ist und nicht, weil es eine gute Zensur mit nach Hause gebracht hat.
Interessiere Dich für Dein Kind
Gehörst Du auch zu denen, die ihr Kind mittags fragen „Und? Wie war es in der Schule?“ Und dafür ein einsilbiges „Gut“ oder „Schlecht“ erhalten? Willkommen im Club! Fragen wir jetzt konkreter nach wie z.B. „Was war denn heute besonders gut?“, erfahren wir weitere Dinge und zeigen so Interesse. Ok, in manchen Lebensphasen und an manchen Tagen erhälten wir eine genervte Antwort „Oh, nun frag doch nicht immer solche Fragen!“.
Lobe Dein Kind oder besser: Sieh Dein Kind
Ich lese häufig, dass wir unser Kind nicht loben sollen. Und das verschreckt einige Eltern. Was darf ich denn nun sagen, und was nicht? Ist es schlecht, wenn ich meinem Kind dafür lobe, wenn es etwas gut gemacht hat?
Generell nicht, es hat nur viel mehr davon, wenn es weiß, wofür es Deine Anerkennung und Zeit bekommt. Sei so konkret wie möglich. Das hat einen größeren Effekt und fördert die Kompetenzen.
Ein „Das hast Du gut gemacht“ ist viel zu unkonkret. Das habe ich auch festgestellt, als ich mit meinem 17-jährigen Sohn das erste Mal Beifahrer beim begleiteten Fahren war – nur so am Rande: ich bin der Meinung, dass es kaum einen größere Vertrauensbeweis gibt als das erste Mal Beifahrer beim eigenen Kind zu sein :-). „Das hast Du gut gemacht“ sagte ich als ich aus dem Auto stiegt. Was jetzt genau hat er gut gemacht? Die Kupplung kommen lassen? Auf alle Straßenschilder geachtet? Rückwärts den Berg hochgefahren? Hier hätte ich viel konkreter sein dürfen.
Achte beim Loben, dass Du die Handlung, die hinter dem Ergebnis steckt, lobst und nicht das Ergebnis an sich. Das Lob sollte in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Handlung stehen. Hier ein Beispiel: Nehmen wir an, Dein Kind lernt für die Mathearbeit. Zwei Wochen später bekommt es seine Arbeit zurück und es hat nicht die erhoffte Note. Damit bekommt es nicht das Lob, das es gern gehabt hätte. (Auch wenn eine Note für mich kein Lob darstellt. Aber das ist ein anderer Blogartikel). Das kann viele Ursachen haben: Das Gelernte kam nicht dran, es konnte das Gelernte nicht abrufen, es war abgelenkt. Und trotzdem hat es für die Arbeit gelernt. Und genau das kannst Du wertschätzen. Und zwar schon bevor es die Arbeit zurückbekommt und direkt nach dem es gelernt hat. Und nicht erst 14 Tage später.
Und falls es Dir genauso geht wie mir anfangs und Du jetzt total verunsichert bist, wie Du Dein Kind richtig lobst und es daher aus Angst, etwas falsch zu sagen, gar nicht mehr lobst – sag ihm, was Du sagen wolltest. Vertrau darauf, dass Du jetzt sensibilisiert bist, andere Worte und Wege zu finden und so Deine Muster langsam änderst.
Alternativen zum Loben:
- Fragen stellen und damit Interesse bekunden: Wie hast Du das gemacht? Wie bist Du auf die Idee gekommen?
- Auffordern, mehr darüber zu erzählen.
- Deine Freude zeigen: Vielen Dank, dass Du mir im Haushalt hilfst. Jetzt habe ich Zeit, mit Dir ein Spiel zu spielen/mein Buch zu lesen/einfach nichts zu tun.
Fehler gehören zum Leben
Immer wieder versuchen wir, Fehler zu vermeiden. Es gibt Kinder, die erst im stillen Kämmerlein etwas ausprobieren und wenn sie sicher sind, dass sie es zu 100 % können, dann zeigen sie sich in der Öffentlichkeit. Ich war auch so ein Kind. Damit habe ich mir die Möglichkeit genommen, viel schneller zum Ergebnis zu kommen, weil mein Umfeld mir sicher Tipps hätte geben können, damit ich es schneller lerne. Wenn ich eine neue Sportart lerne, dann bin ich froh, wenn ich jemanden an meiner Seite habe, der mir zeigt, wie es geht. In der Schule wird leider häufig über Fehler gelacht und in Arbeiten werden Fehler angestrichen. Wenn man Fehler macht, dann wird man bestraft, entweder mit Auslachen oder schlechten Noten.
Wie soll Dein Kind dabei Lust haben, etwas Neues auszuprobieren? Hier ist unsere Einstellung zu Fehlern wichtig. Welches Wort ergibt sich, wenn Du die Buchstaben des Wortes „Fehler“ in eine andere Reihenfolge bringst? Probier es einmal aus….. Das neue Wort heißt „Helfer“. Das kann doch kein Zufall sein, dass sich dieses Wort hinter einem Fehler verbirgt! Auch hier spielt das Loben wieder eine Rolle. Du kannst Dein Kind dafür loben, dass es etwas Neues ausprobiert hat. Auch bei Fehlern in einer Arbeit. Nachdem Du das, was gut gelaufen ist, gesehen und gewürdigt hast, könnt Ihr Euch zusammen die Fehler ansehen und feststellen, ob Dein Kind etwas daraus lernt. Viele Erfindungen sind erst deshalb entstanden, weil es Fehler gab, z.B. Post-Its und die Erfindung der Mikrowelle.
🍦 Bedürfnis nach stabiler Beziehung fürs GerneLernen
Aus unserer Entwicklung heraus benötigen wir eine Gemeinschaft. Babys würden ohne eine stabile Beziehung nicht überleben. Eine stabile Beziehung macht uns stark und gibt uns Schutz. In einer sicheren Umgebung kann sich Dein Kind ausprobieren und wachsen. So geben wir als Eltern unseren Kinder ein Netz, das es immer wieder auffängt, wenn es stolpert und mal etwas nicht so wie geplant läuft. Wenn es dieses Netz gibt, dann entwickelt es Vertrauen und kann seine Welt sicher erforschen, da es weiß, dass es immer wieder aufgefangen wird. Mit gemeinsamen Aktivitäten, Interesse an seinen Freunden und Verständnis schaffst Du dieses Netz und breitest es aus.
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Nun verstehst Du, dass es neben den körperlichen Grundbedürfnissen auch noch psychologischen Grundbedürfnisse gibt. Und wie wichtig diese für das Wohlbefinden und damit für das Lernen sind.
Wenn es Deinem Kind gut geht, wenn alle Bedürfnisse befriedigt sind, dann sind das gute Voraussetzungen, dass es mit dem Lernen klappt. Ein müdes Kind lernt nicht so gut wie ein ausgeschlafenes Kind. Und ein Kind, dass sich gesehen und anerkannt fühlt und mitentscheiden darf, lernt auch besser.
Lernen ist so viel mehr als nur die richtige Lernstrategie. Daher ist es mir in meinem LernCoaching so wichtig, dass auch die Eltern mit an Bord sind. Du als Elternteil hast einen großen Einfluss auf das Lernverhalten Deines Kindes. Dein Einfluss ist sozusagen der LernTurbo. Und das geht weit über ein ‚Jetzt setz Dich hin und lern‘ hinaus. Wenn wir die beschriebenen psychologische Grundbedürfnisse kennen und berücksichtigen, haben wir wundervolle und wirksame Tools an der Hand, um unsere Kinder beim Lernen zu motiveren.
Wenn Du Lust hast, reflektiere einmal, wie die psychologischen Grundbedürfnisse bei Deinem Kind beim Lernen erfüllt sind:
- Hat es Kontrolle übers Lernen? Kann es entscheiden, wie es wann lernt?
- Wie sieht es mit dem Lustgewinn aus? Was macht Dein Kind besonders gern? Und wie kannst Du das aufs Lernen übertragen?
- Wie sieht das Selbstwertgefühl von Deinem Kind aus? Wird es geliebt, so wie es ist? Unabhängig von den Noten und wie es im Vergleich zu Jakob aus der Nachbarklasse ist?
- Gibst Du Deinem Kind eine stabile Beziehung? Bietest Du Deinem Kind ein sicheres Netz, dass es auffängt, wenn es Fehler macht? Fühlt Dein Kind, dass es sich auf Dich verlassen kann? No matter what.
Und wenn Du mehr dazu wissen möchtest und auch in welchen Situationen diese Tipps eine große Rolle spielen, dann schau einmal in das GerneLerner Buch – Wie Dein Kind ein GerneLerner wird – und Du auch wieder Zeit für Dich hast. Dort findest Du mein gesammeltes Wissen von A wie Alles übers Lernen bis Z wie Zugang zu digitalen Medien. Damit das Lernen leicht wie Eis essen wird.
Vielleicht hast Du schon Erfahrungen gesammelt mit Loben oder Dein Kind in Entscheidungen einzubinden? Ich freu mich, Deine Meinung dazu in den Kommentaren zu lesen.
Tschüß und bis zum nächsten Mal!
Trixi